Ausgabe Nr. 83 (Sommer 2022)

UNTERWEGS IN FRANKREICH

Normandie / Manche
Mont Saint-Michel, die Geheimnisse des « Gefängnisbergs »

Nähert man sich der Baie du Mont Saint-Michel lässt der Anblick der pyramidenförmigen Silhouette der Insel mit ihrer Abtei auch heute noch, mehr als 1300 Jahre nach der Gründung des Klosters im Jahr 708, niemanden gleichgültig. Das Betreten des felsigen Eilands ist nach wie vor ein besonderes Erlebnis. Kein Zweifel, das « Wunder des Westens » hat nichts von seiner magischen Anziehungskraft auf Touristen und Pilger verloren. Die Kehrseite des Erfolges ist jedoch, dass die Besichtigung eines solchen Anziehungspunktes oftmals einem « touristischen Pflichtprogramm » gleicht, das keine Gelegenheit für wirkliche Entdeckungen bietet. Dabei ist es durchaus möglich, sich für eine ganz andere, vielfach unbekannte Seite des Mont Saint-Michel zu interessieren: die Zeit, in der der Mont ein Gefängnis war, als das ehemalige Benediktinerkloster in eine der bedeutendsten Haftanstalten Frankreichs verwandelt worden war. Ein Thema, um ausgetretene Touristenpfade zu verlassen und diesen besonderen Ort unter einem ganz neuen und packenden Blickwinkel zu entdecken

 

Auvergne-Rhône-Alpes

Drôme, die Schönheit der Dörfer

Das Departement Drôme liegt an der Route nationale 7 – also an der berühmten « Ferienstraße » – und kann sich stolz damit rühmen, dass auf seinem Gebiet sechs Orte mit dem Qualitätslabel Les plus beaux Villages de France liegen. Bereist man sie, entdeckt man nicht nur die Schönheit dieser bemerkenswerten Dörfer, sondern wird sich darüber hinaus der erstaunlichen geografischen Vielfalt der Gegend bewusst: Zwischen Vercors und Provence laden Flüsse und Wälder, Berge und Lavendelfelder dazu ein, dem Alltag zu entfliehen! Wir haben für Sie einen Streckenvorschlag ausgearbeitet, der in einem Ort zwischen Valence und Montélimar beginnt und endet: Mirmande ist gleichzeitig eines dieser « schönsten Dörfer », die fünf anderen besuchen Sie im Verlauf der 341 Kilometer langen Strecke in Ihrem eigenen Rhythmus. Idealerweise sollten Sie sich mindestens zwei bis drei Tage Zeit dafür nehmen.

Île-de-France / Yvelines

Bergerie nationale de Rambouillet, der Krieg der Schafe

Rund 50 Kilometer südwestlich von Paris liegt in einer abgelegenen Ecke des Parks von Schloss Rambouillet eine ganz besondere Schäferei, die man besichtigen kann. Die ehemals « königliche Schäferei » – aus der in der Folge eine kaiserliche und schließlich eine nationale wurde – befindet sich in wunderschönen Gebäuden aus dem 18. Jahrhundert. Erstaunlicherweise ist sie selbst bei Franzosen relativ unbekannt, obwohl sie unter anderem einen regelrechten Schatz besitzt: eine Herde mit Merinoschafen und -widdern, die sich dadurch auszeichnen, dass sie niemals gekreuzt wurden. Genetisch entsprechen diese Tiere exakt denen, die der spanische König 1786 Frankreich schenkte und die der Ursprung für diese Schäferei waren. Die Schafe wurden gegen alle Wechselfälle der Geschichte des Landes sorgsam beschützt und stellen heute einen einzigartigen und sorgsam umhegten Tierbestand dar, der seinesgleichen auf dem Globus sucht. Die unglaubliche Geschichte dieser Schafe und der nationalen Schäferei ist wahrlich einen Besuch wert …

 

Okzitanien / Pyrénées-Orientales

Céret, ein Künstlerdorf zwischen Bergen und Meer

Denkt man an französische Dörfer, die eine enge Verbindung zu Kunst und Künstlern haben, so kommen einem meist Orte wie Barbizon (Seine-et-Marne) – Ende des 19. Jahrhunderts ein beliebtes Dorf bei Landschaftsmalern und Frühimpressionisten – oder auch Pont-Aven (Finistère) – die berühmte « Stadt der Maler », deren bekanntester Botschafter Gauguin war – in den Sinn. Allerdings gibt es zu Füßen der Pyrenäen, nur wenige Kilometer von der spanischen Grenze entfernt, ein kleines Dorf, das ebenfalls einen wichtigen Platz in der modernen Kunstgeschichte einnimmt: Céret im Departement Pyrénées-Orientales. Braque, Chagall, Dalí, Dufy, Gris, Soutine und Picasso sind nur einige Namen berühmter Künstler, die dort lebten oder sich zumindest zeitweilig dort aufhielten, um schöpferisch tätig zu sein. Ein kleines, relativ unbekanntes Museum würdigt mit einer der reichhaltigsten und interessantesten Sammlungen Frankreichs nicht nur diese weltweit renommierten Meister ihres Fachs, sondern engagiert sich auch dafür, zeitgenössische Künstler bekannt zu machen. Gerade wurde es nach zweijährigen bedeutenden Umbaumaßnahmen wieder eröffnet. Die ideale Gelegenheit, diesen Ort mit seinem außergewöhnlichen Schicksal zu besuchen.

 

FRANKREICH HEUTE

Tourismus

Hotels: die Reform des französischen Sterne-Systems

Am 1. April 2022 trat im französischen Hotelwesen ein neues Verfahren für die Vergabe der Sterne in Kraft. Dies ist eine bedeutende Neuerung im Bereich des Tourismus in Frankreich, denn das bestehende Klassifizierungssystem, das in den 1930er-Jahren eingeführt wurde, ist zwar nicht obligatorisch, wurde jedoch von den Hotelbesitzern weitestgehend übernommen: 87 % der rund 17.000 Hotels schmücken sich mit einem bis maximal fünf Sternen. Was hat sich mit der « neuen Klassifizierung 2022 » genau geändert? Übersicht über eine Reform, die man als Tourist kennen sollte.

Hundertjahrfeier

Territoire de Belfort, die Stärke der Kleinen

Das Territoire de Belfort in der Region Bourgogne-Franche-Comté ist die Nummer 90 der 101 französischen Departements. In diesem Jahr wird es 100 Jahre alt. Ein bedeutender Geburtstag also, den man im Verlauf des gesamten Jahres würdig begeht. Wir haben die Gelegenheit genutzt, um uns mit dem Präsidenten des Departements, Florian Bouquet, über dieses liebenswerte Departement mit ausgeprägtem Charakter zu unterhalten. Trotz der überschaubaren Größe – 609 km2, eines der kleinsten des Landes – wollte man dort immer hoch hinaus und agierte entschlossen, ganz nach dem Vorbild der Symbolfigur, dem berühmten Löwen von Belfort. Ein schönes Beispiel dafür, wie stark manchmal gerade die Kleinsten sein können.

Städtplanung

Paris, Streit um die Schönheit der Stadt

Ist Paris die « schönste Stadt der Welt » oder ist Paris « verwüstet »? Die Frage mag provozierend erscheinen. Und doch wird in der Hauptstadt darüber diskutiert, zuweilen sogar sehr heftig. Einwohner und Politiker werfen der amtierenden Bürgermeisterin, Anne Hidalgo, teilweise vor, die « Verwüstung » der Stadt auf dem Gewissen zu haben, während die Betroffene selbst der Meinung ist, alles daranzusetzen, um sie schöner zu machen. Worum geht es dabei? Wir haben versucht, vor Ort etwas Klarheit in das Thema zu bringen …

ART DE VIVRE

Weintourismus

Monmousseau, wenn Loire-Schlösser Weinkeller illuminieren
Im Herzen des Loire-Tals, nur wenige Minuten von Schloss Chenonceau entfernt, liegt eine regelrechte lokale Institution: die Keller von Maison Monmousseau in Montrichard (Loir-et-Cher). Seit 1886 werden dort stille Weine, vor allem aber die Spezialität des Hauses, Schaumweine nach der Méthode traditionnelle, hergestellt. Die Weinkeller befinden sich in beeindruckenden Stollen, die in den für die Gegend typischen Kalkstein – den sogenannten Tuffstein – gehauen sind. Seit einigen Jahren ist dies für Besucher die Kulisse für ein ganz unerwartetes Erlebnis: Die langen Gänge werden durch eine einfache, aber wirkungsvolle Technik illuminiert, und die gelungene Inszenierung ist gleichzeitig eine Hommage an die Schlösser der Loire, die zum Teil mit dem an diesem Ort abgebauten Stein errichtet wurden. Eine schöne Art, die Region und ihre Weine zu entdecken!

Chantals Rezept

La tarte aux myrtilles
"Wanderer wissen nur zu gut, dass die Heidelbeer-Tarte in einigen Bergregionen Frankreichs ein beliebtes Dessert ist. Ich persönlich mag die einfachste Version am liebsten, so, wie man sie normalerweise in den Vogesen bekommt. Dort wird sie auch Tarte aux brimbelles genannt, nach dem Namen, den man dem « schwarzen Gold » der Region, den wilden Heidelbeeren, gegeben hat. In den Vogesen werden Heidelbeeren in der Regel von Mitte Juni bis Mitte Juli geerntet, allerdings ist das Sammeln mittlerweile so beliebt, dass es inzwischen oftmals reglementiert ist. Doch das ist kein Problem, denn heutzutage erhält man im Handel frische Kulturheidelbeeren, mit denen man diese Tarte ebenso gut zubereiten kann. Ein Genuss für Groß und Klein! Bon appétit!"

Serie

Typisch Französische Produkte (33)

Louit Frères, der besondere Senf in kleinen Fass
Denkt man an Senf, fallen einem unweigerlich Burgund und die « Hauptstadt des Senfs », Dijon, ein. Dabei gibt es noch einen anderen Senf, den man kennen sollte und dessen Ursprung überraschenderweise nicht in Dijon, sondern in Bordeaux liegt.

RUBRIKEN

 

Am Tag als… 11. Juli 2020

Die Stadt Dijon erhielt den « Trauernden Nr.17 » zurück.

Auf den ersten Blick sieht man der 42 cm hohen Skulptur aus Alabaster, die heute im Musée des Beaux-Arts in Dijon, im Saal mit den Grabmälern der Herzöge von Burgund zu sehen ist, nichts Besonderes an. Eine Statuette unter vielen, ist man fast versucht zu sagen, denn dieser « Trauernde, der seine Tränen zurückhält » – auch bekannt unter dem verwaltungstechnischen und viel weniger poetischen Namen Pleurant No 17 – ist nur eine von 82 kleinen Statuen. Die Pleurants von Dijon gelten weltweit als Meisterwerke der mittelalterlichen Kunst, zu ihren Bewunderern zählten bereits Stendhal (1783- 1842) und Victor Hugo (1802-1885). Sie schmückten das Grab Philipps des Kühnen (1342-1404), des ersten Herzogs von Burgund, sowie die Gräber seines Sohnes, Johann Ohnefurcht (1371-1419) und dessen Frau Margarete von Bayern (1363-1424). Dennoch ist es dieser diskrete « Trauernde Nr. 17 » wert, dass man nicht einfach an ihm vorbeigeht, sondern ihm etwas Aufmerksamkeit schenkt. Seine Geschichte gleicht einem Epos, in dem große Geschichte und juristische Rangeleien verwoben sind. Lassen Sie uns erzählen, wie sich das Ganze abspielte …

 

Guéwen a testé

... Was ist ein « Trou normand » ?

Das Trou normand, wörtlich übersetzt das « normannische Loch », ist eine Institution in Frankreich! Es handelt sich dabei um eine sehr alte kulinarische Praxis, die man vor allem im Rahmen eines festlichen – und umfangreichen – Mahls, zum Beispiel bei einer Hochzeit, findet. Während eines solchen mehrgängigen Essens trinkt man in diesem Fall zwischen zwei Gängen ein kleines Gläschen eines normannischen Obstbrandes: einen Calvados.

UND VIEL MEHR...