Ausgabe Nr. 86 (Frühling 2023)

UNTERWEGS IN FRANKREICH

Centre - Val de Loire / Indre-et-Loire
Léonardo da Vinci: Der Geist eines Genies im Loire-Tal
Das Château du Clos Lucé in Amboise (Indre-et-Loire) zählt nicht gerade zu den bekanntesten Schlössern an der Loire. Denjenigen, die sich ein wenig für die Region und ihre imposanten Gebäude interessieren, sei jedoch ein Besuch ans Herz gelegt, zumal dort eines der größten Genies aller Zeiten seine letzten Lebensjahre verbrachte: Leonardo da Vinci (1452-1519). Das Gebäude befindet sich zwar in Privatbesitz, ist jedoch seit 1954 für die Öffentlichkeit zugänglich. In den letzten Jahren wurde es umfassend renoviert mit dem Ziel, « das Erbe von Leonardo da Vinci weiterzugeben » und sich in Frankreich als Ort zu positionieren, den alle gesehen haben sollten, die mehr über Leben und Werk des angesehenen Künstlers und Naturwissenschaftlers erfahren möchten. Eine Ambition, der die Eigentümer absolut gerecht geworden sind.

Provence-Alpes-Côte d’Azur / Alpes Maritimes
Villa Ephrussi: « La vie en rose » an der Riviera

Auf einer felsigen Anhöhe etwa zehn Kilometer von Nizza und Monaco entfernt, thront ein stolzes Gebäude mit rosafarbenen Mauern und einer Belle-Époque-Architektur: die Villa Éphrussi de Rothschild. Zwischen 1907 und 1912 erbaut, beeindruckt sie mit ihren zahlreichen üppig dekorierten Salons, Boudoirs, Höfen und terrassenförmig angelegten opulenten Gärten noch heute die Besucher und bringt diese zum Träumen. Das Gebäude, das oft als Laune einer kapriziösen und begüterten Frau – Béatrice de Rothschild – betrachtet wird, hat nichts von seinem Charme eingebüßt und ist einer der Prachtbauten, die die Côte d‘Azur sehr gut charakterisieren. Bemerkenswert und äußerst selten ist dabei, dass dieser nicht alltägliche Ort seit 1937 für die Öffentlichkeit zugänglich ist und eine sehr anschauliche Vorstellung vom Leben der High Society an der französischen Riviera vermittelt.

Ile-de-France / Yvelines
Potager du Roi: Das andere Versailles - ohne Prunk und Pracht
In der ganzen Welt denkt man beim Namen Versailles automatisch an das bekannte Schloss, den prestigeträchtigen Prachtbau, der den Ruhm Ludwigs XIV. (1638-1715), auch bekannt als der « Sonnenkönig », symbolisiert. Dieser Palast der Superlative (2300 Räume, mehr als 7000 Möbel und rund ebenso viele Gemälde, über 3000 Skulpturen, mehr als 400 Lüster, rund 150 Pendeluhren) zählt im Durchschnitt pro Jahr knapp acht Millionen Besucher. Die meisten von ihnen erforschen bei dieser Gelegenheit auch – zumindest zum Teil – die nicht weniger spektakulären Außenanlagen des Schlosses (800 Hektar, 350 000 Bäume, 620 Wasserfontänen, 55 Brunnen und Bassins …). Die Besucher verlassen Versailles hingerissen und mit glänzenden Augen. Nur wenige wissen, dass es dort, über den ganzen Glanz und die verschwenderische Fülle hinaus, einen wesentlich diskreteren Ort gibt, den man so nicht erwartet hätte und der ganz besondere Überraschungen bereithält: den Potager du Roi, den königlichen Küchengarten. Kreiert wurde er 1678, um die Tafel Ludwigs XIV. mit Obst und Gemüse zu versorgen, und er wird heute noch bewirtschaftet. Fast 350 Jahre lang hat sich hier Know-how angesammelt, eine wertvolle Ressource, die gerne weitergegeben wird. Ein Besuch dieses Gartens ist die ideale Gelegenheit, Versailles von einer anderen Seite kennenzulernen, die einen Gegensatz zu Prunk und Pracht von Schloss und Park darstellt.

Bourgogne-Franche-Comté / Doubs
Cercle immense: Auf das « weiße Gold » folgt das « grüne Gold »
Die prächtige Salzmanufaktur Saline royale in Arc-et-Senans (Doubs) gehört seit 1982 zum Weltkulturerbe der UNESCO. War es bis dato die meisterhafte Industriearchitektur in Form eines Halbkreises, die ihren Ruf ausmachte, so vervollständigt seit 2022 ein Landschaftsgarten das knapp 250 Jahre alte architektonische Werk zu einem riesigen Kreis, dem Cercle immense. Dadurch erhielt der Ort ein neues Erscheinungsbild ganz im Geist der heutigen Zeit. Nach dem « weißen Gold » steht nun das « grüne Gold » im Mittelpunkt, und die Königliche Saline hat sich damit zu einer internationalen Referenz in Sachen Gartengestaltung im 21. Jahrhundert entwickelt.

FRANKREICH HEUTE

Kulturerbe
Die Französische Nationalbibliothek:

Ein neues Muss bei einem Parisbesuch
Nach zwölfjähriger Renovierung und Kosten in Höhe von 261 Millionen Euro wurde der Standort Richelieu der Bibliothèque nationale de France (BnF) im historischen Zentrum der Hauptstadt vor einiger Zeit wiedereröffnet. Anders als in der Vergangenheit, ist der Ort, der lange Zeit nur Forschern vorbehalten war, nun für jedermann zugänglich. Besonders der erhabene Lesesaal und ein neu geschaffenes, einzigartiges Museum in der ältesten Bibliothek Frankreichs sind damit Programmpunkte, die Sie bei Ihrem nächsten Besuch in Paris auf keinen Fall auslassen sollten.

Gesellschaft

Olympische Spiele Paris 2024
« Phryges »: Maskottchen, die von sich reden machen
Im Rahmen der Vorbereitungen für Olympische Spiele ist die Vorstellung der Maskottchen immer ein wichtiges Ereignis. Insofern war die Spannung groß, als das Organisationskomitee der Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris Ende November zu einer Pressekonferenz einlud. Allerdings hatten sich die Organisatoren nicht vorgestellt, dass die Phryges, die beiden Maskottchen, in Frankreich umgehend für polemische Diskussionen sorgen würden – und das gleich aus mehreren Gründen …

ART DE VIVRE

Kunst
Die Herzen französischer Könige
Erstaunliche Pigmente für die Malerei
Man könnte denken, dass der Leichnam eines verstorbenen Königs nach dessen Tod ein « ruhiges Leben » führte. Dem war jedoch nicht immer so. Im 19. Jahrhundert nutzten mehrere Maler für ihre Kunstwerke Farben, die auf der Basis eines ganz erstaunlichen und sehr gefragten Pigments hergestellt wurden: einem Pigment aus dem Herzen von Königen! Es ist eine unglaubliche Geschichte, die lange Zeit als Legende abgetan wurde, heute jedoch wissenschaftlich nachgewiesen ist.

Chantals Rezept
Cake aux agrumes
« Als ich entdeckte, dass ein Artikel in dieser Ausgabe dem Château du Clos Lucé gewidmet ist, fiel mir ein, dass ich vor einiger Zeit das benachbarte Schloss Château Gaillard besichtigt hatte. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich, dass der berühmte italienische Gärtner und Landschaftsgestalter Pacello Mazzarotta (1453-1534) – der den Spitznamen « Leonardo der Gärten » trug – hier die erste königliche Orangerie Frankreichs kreierte. Das war bereits einige Jahre, bevor Leonardo da Vinci nach Amboise kam. Bei der Erinnerung daran kam mir die Idee, Ihnen heute als Anspielung und Hommage auf die beiden berühmten Italiener dieses einfache Rezept für ein köstliches Dessert vorzustellen. Mir persönlich schmeckt der Cake aux agrumes auch besonders gut zu einer Tasse Tee. Im Übrigen habe ich in der Redaktion von Château Gaillard erzählt und ich glaube, Sie werden in Kürze mehr über dieses Schloss erfahren ... Bon appétit! »

RUBRIKEN

Kulturschock
Nächtliche Gedanken
Liebe Dorothea, lieber Ernst,
ihr findet es sicher seltsam, dass ich euch, meinen deutschen Nachbarn, mitten in der Nacht eine Mail schreibe, anstatt morgen früh einfach die paar Meter durch den Wald zu laufen und euch bei einer Tasse Kaffee alles zu erzählen. Schließlich schadet ein bisschen Bewegung niemals! Aber vielleicht gehen auch euch manchmal bestimmte Gedanken durch den Kopf, die ihr gleich loswerden wollt. Vielleicht aus Angst, bis zum Morgen alles vergessen zu haben … Gerade muss ich unaufhörlich an einen Satz denken, den ihr mir schon oft gesagt habt, seit ihr von Deutschland nach Frankreich umgezogen seid: « Brot ist wirklich etwas Besonderes für euch Franzosen! » Wie oft haben wir uns darüber schon unterhalten! Deshalb sehe ich euch vor meinem geistigen Auge schmunzeln, wenn ihr diese Nachricht lest: « Es ist wieder so weit. Chantal ist wieder bei ihrem Lieblingsthema ‹ Brot › angelangt », denkt ihr jetzt sicher. Und es stimmt tatsächlich! Mir ist nämlich heute klar geworden, dass ihr mit eurer Aussage schon immer recht hattet, Brot ist für uns Franzosen wirklich etwas Besonderes! (…)

 

Guéwen a testé…
… « e-Lettre rouge », das neue Angebot der französischen Post
Was hat sich ab dem 1. Januar 2023 geändert? Seit Anfang dieses Jahres werden in Frankreich keine roten Marken mehr auf einen Brief geklebt! Im Bestreben, « den Bedürfnissen der Kunden besser gerecht zu werden » und « den ökologischen Fußabdruck der Postdienstleistungen zu verbessern », wurden diverse Änderungen im Tarifsystem der Briefsendungen beschlossen. Dazu gehört die Umwandlung der klassischen « roten Briefmarke » in eine « Hybridvariante », die sogenannte e-Timbre rouge (…)

UND VIEL MEHR...