Ausgabe Nr. 89 (Winter 2023/2024)
UNTERWEGS IN FRANKREICH
Bretagne / Finistère
Die Rias von Quimperlé: Bretagne zwischen Erde und Meer
Im Süden des Finistère, im Pays de Quimperlé, zwischen Pont-Aven und Le Pouldu, kann man von der Küste aus sehen, dass sich das Meer immer wieder einen Weg ins Landesinnere bahnt, manchmal kilometerweit. Es ist ein besonderes Erlebnis, mit dem Boot langsam in diese vor der Gischt geschützten Trichtermündungen – genannt Rias – vorzudringen. Hier mischen sich Salz- und Süßwasser, Flora und Fauna leben im Rhythmus der Gezeiten. Nähert man sich den Rias vom Land aus, kann man sicher sein, eine sehr authentische und unbekannte Bretagne zu entdecken.
Oktzitanien / Gers
La Romieu, das kuriose Dorf der Katzen
Im Norden des Departements Gers, etwa 30 Kilometer südlich von Agen und 50 Kilometer nördlich von Auch, liegt das kleine Dorf La Romieu. Der Name kommt vom gaskognischen Wort l‘Arromieu, der Pilger. Lange Zeit war La Romieu ausschließlich bei Wallfahrern bekannt, da sich dort die Pilgerwege treffen, die von Puy-en-Velay (Haute-Loire) und Rocamadour (Lot) nach Santiago de Compostela im spanischen Galizien führen. Aufgrund seines reichen Kulturerbes – erwähnens wert vor allem die Stiftskirche Saint-Pierre aus dem 14. Jahrhundert – und des wunderschönen botanischen Gartens Jardins de Coursiana gehört La Romieu heute zu den Plus beaux villages de France. Ein weiterer Anziehungspunkt für Besucher ist auch der liebenswerte Ruf des Dorfes, der durch eine kuriose Legende entstanden ist. Eine Legende, der La Romieu den sympathischen und verdienten Spitznamen « Dorf der Katzen » zu verdanken hat …
Provence - Alpes - Côte d'Azur / Bouches-du-Rhône
Château d'If: ein anderer Blick auf Marseille
Vor der Küste von Marseille liegt die Île d’If, die kleinste der Frioul Inseln. Man erreicht sie vom Alten Hafen aus mit dem Boot in rund 20 Minuten. Auf dem winzigen, nur drei Hektar großen Kalkfelsen befindet sich eines dieser erstaunlichen Monumente, auf die man in Frankreich so stolz ist. Ein Monument, bei dem in diesem Fall Geschichte und Fiktion engverwoben sind. Château d‘If wurde von Franz I. (1494-1547) als uneinnehmbare Meeresfestung konzipiert, von Vauban (1633-1707) noch stärker befestigt und später dann als Gefängnis genutzt. In der ganzen Welt bekannt wurde das Bauwerk, das man heute besichtigen kann, aber durch Alexandre Dumas (1802-1870). Es ist zweifellos einer der unerwartetsten und ausgefallensten Orte von Marseille!
Centre - Val de Loire / Eure-et-Loir
Thiron Gardais: die Geschichte einer Renaissance
Thiron-Gardais ist ein kleines französisches Dorf inmitten des Naturparks Perche, an der Grenze zur Beauce und der Normandie. Eines dieser friedlichen Dörfer mit einem liebenswert-altmodischen Charme und alten Steinen, an denen der Zahn der Zeit genagt hat. Dörfer, wie es in Frankreich noch viele gibt. Lange Zeit lag Thiron-Gardais abseits der touristischen Pfade. Dass sich das Dorf aber heute einer regelrechten Attraktivität erfreut, liegt an einem einst verwahrlosten historischen Gebäude, das restauriert und 2016 für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde: das Collège royal et militaire. Verantwortlich für diese Renaissance ist eine der beliebtesten Persönlichkeiten der Franzosen, Stéphane Bern, der das Gebäude mit Entschlossenheit und persönlichen Mitteln zu einem Prunkstück des dortigen Kulturerbes machte.
Serie:
Wenn Bäume sprechen könnten....
Der Schwarznussbaum der Abbaye de Sablonceaux (Charente-Maritime)
FRANKREICH HEUTE
Politik
Und plötzlich fiel das Wort "Autonomie"
Am 28. September 2023 besuchte Emmanuel Macron zum fünften Mal seit seiner Wahl zum französischen Staatspräsidenten Korsika. Nachdem sein Innenminister, Gérald Darmanin, 18 Monate mit den politischen Vertretern der Inse diskutiert hatte, wollte Macron sich nun zu dem äußerst sensiblen Vorhaben äußern, für die Île de beauté einen neuen Status zu schaffen. Zur allgemeinen Überraschung sprach er sich vor dem korsischen Regionalparlament für eine « Autonomie Korsikas innerhalb der Republik » aus und ging damit weiter als alle seine Vorgänger bisher. Einen solchen Vorschlag, so vage er auch sein mag, gab es bislang noch nie. Aus diesem Grund blieb er wohl auch nicht unbemerkt, vor allem nicht bei den Volksvertretern anderer Regionen des Landes.
Immersive Erfahrung
Luminiscence, eine andere Art, Kathedralen zu betrachten
Am 13. Oktober 2023 verwandelte sich die Kathedrale Saint-André in Bordeaux (Gironde) in einen einerseits ungewöhnlichen, andererseits aber der Kultstätte angemessenen Veranstaltungsraum. Durch die beeindruckende Verbindung von sehr hoch aufgelösten Projektionen, 360°-Videomapping und 3-D Audioeffekten konnten die Zuschauer eine regelrechte « immersive Erfahrung » machen. Luminiscence ist ein Pilotprojekt und in puncto Veranstaltungsort und Technik eine Premiere in Frankreich. Das Ereignis wird noch bis Januar in Bordeaux angeboten. Initiator ist ein französisches Start-up, das dieses Konzept in der Folge in anderen französischen Kathedralen und später auch in anderen Ländern umsetzen will. Wir wollten uns ein Bild davon machen und haben die Vorstellung besucht.
ART DE VIVRE
Handwerkstradition
Maison Denoix in der Corrèze: Destillierkunst seit fünf Generationen
Das Departement Corrèze (Nouvelle Aquitaine) ist nicht weit von der Region Bordelais, den Departements Charente und Gers sowie den Städten Cahors und Bergerac entfernt. Alles Namen, die mit Wein, Armagnac oder Cognac in Verbindung gebracht werden. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass dort seit dem 19. Jahrhundert zahlreiche Destillerien entstanden sind, die sich auf die Produktion von Aperitifs, Digestifs und Likören spezialisiert haben. Allein in der 45 000 Einwohner zählenden Stadt Brive-la-Gaillarde, in der sich die Sous-Préfecture des Departements befindet, gab es lange Zeit zehn solcher Betriebe. Der älteste von ihnen, Maison Denoix, ist heute einer der wenigen, die nach wie vor aktiv sind. Das Unternehmen ruht sich aber nicht auf seinen Lorbeeren aus, sondern passt sich dem Geschmack der jeweiligen Zeit an, ohne deswegen die Werte einer fast zweihundertjährigen Handwerkstradition zu vernachlässigen. Maison Denoix ist mehr als eine Marke, der Name steht für den Fortbestand von anspruchsvollem handwerklichem Erbe. Vor etwas mehr als einem Jahr hat mit Paul Bastier
und seiner Ehefrau Marie die fünfte Generation der Familie Denoix die Leitung des Betriebs übernommen. Eine Begegnung im Keller der Destillerie in Brive-la-Gaillarde.
Serie: Typisch Französische Produkte (39)
Jeans von den Ateliers de Nîmes: Die Wiederentdeckung des Denim
In Nîmes (Gard) hat sich der junge Jeanshersteller Ateliers de Nîmes mutig in das Abenteuer gestürzt, nicht nur Jeans herzustellen, sondern auch den echten Denim, aus dem sie bestehen, wieder selbst zu produzieren. Wie der französische Begriff andeutet, stammt der heute weltweit bekannte Stoff nämlich aus Nîmes (de Nîmes). Auf diese Weise erweckt das Unternehmen nicht nur die textile Vergangenheit der Stadt und ein seit Langem verloren gegangenes handwerkliches Können zu neuem Leben, sondern produziert zudem Jeans, die viel umweltverträglicher als herkömmlich hergestellte sind. Eine sinnvolle Initiative!
Chantals Rezept
Le Far breton aux Pruneaux II
« 2017 stellte ich Ihnen in der Ausgabe 64 das Rezept für den Far breton vor, den berühmten puddingartigen Kuchen. Viele Liebhaber der Bretagne und andere Naschkatzen schätzen dieses kostengünstige, sehr einfache und schnelle Rezept. Als ich das letzte Mal in der Bretagne war,
bereitete mir meine Freundin Evelyne, eine leidenschaftliche Köchin, einen Far breton zu, allerdings nach einem anderen Rezept, als das, das ich kannte. Ich gebe zu, dass ich diese Variante inzwischen bevorzuge, da sie noch einfacher zuzubereiten und vor allem etwas bekömmlicher ist. Deshalb will ich sie Ihnen nicht vorenthalten..."
RUBRIKEN
Guéwen a testé…
… den bretonischen Pastis Ty Jaune
Ich will gar nicht verheimlichen, dass mir die Bretagne besonders am Herzen liegt, denn das verrät bereits mein Vorname. Ich wurde zwar im Elsass geboren, ein Teil meiner Familie hat jedoch bretonische Wurzeln. Als ich erfahren habe, dass in der aktuellen Ausgabe von Frankreich erleben ein Artikel dem Pays des rias im Departement Finistère gewidmet ist, kam mir gleich wieder ein handwerklich hergestelltes Produkt aus dieser Region in den Sinn, das ich in der vorletzten Ausgabe (Nr. 88) in der Rubrik On en parle entdeckt habe: der bretonische Pastis Ty Jaune. Da Pastis in der Regel mit dem Süden Frankreichs in Verbindung gebracht wird, wollte ich wissen, was an diesem originellen Getränk die bretonische Note ausmacht. Unser Team vor Ort hat mir daher eine Flasche mitgebracht, damit ich es probieren konnte.