Ausgabe Nr. 80 (Herbst 2021)

UNTERWEGS IN FRANKREICH

Occitanie / Hérault
Brassens & Sète: les Copains d'abord

Am 22. Oktober 2021 sind es genau hundert Jahre, dass einer der größten zeitgenössischen Dichter und Sänger Frankreichs in Sète (Hérault) das Licht der Welt erblickte. Zu Lebzeiten des anarchistischen Poeten waren die Beziehungen zwischen ihm und den Menschen seiner Heimatstadt zwar nicht immer harmonisch, doch heute ist man voll des Lobes für ihn und wird den runden Geburtstag würdig feiern. Sète
auf den Spuren von Brassens zu erkunden, ist eine Gelegenheit, die Stadt unter einem anderen Blickwinkel zu entdecken und festzustellen, wie intensiv man dort noch immer seine Seele und die seiner Copains spüren kann.

 

Centre-Val-de-Loire/ Indre-et-Loir

Château de Chenonceau: florale Kunst im Schloss
Unter den berühmten Loire-Schlössern gibt es eines, das sich aus der Masse hervorhebt: Chenonceau. Es ist das einzige Schloss, das eigene Floristen angestellt hat. Tag für Tag kreiert der Leiter dieses Ateliers grandiose Kompositionen, mit denen er die 19 Räume des Schlosses ver- schönert und den Besuchern dadurch einzigartige Eindrücke verschafft.

Hauts-de-France / Pas-de-Calais

Boulogne-sur-Mer: Jeder hat das Recht auf etwas schönes !

Jedes Jahr im Sommer findet in Boulogne-sur- Mer (Pas-de-Calais) ein Ereignis statt, zu dem nicht nur aus Frankreich Anhänger einer bestimmten zeitgenössischen Kunstrichtung anrei- sen: das Festival Street-Art. Street-Art ist in Boulogne weit mehr als «nur ein dekoratives Element». Die Stadtverwaltung hat diese Kunst voll und ganz in die Kulturpolitik integriert und animiert die Bewohner, sich daran zu beteiligen, Botschafter ihrer Stadt zu werden, einer Stadt, auf deren Dynamik und Besonderheit die Menschen inzwischen sehr stolz sind. Die Qualität der Werke, die Möglichkeit für eine «andere» Art der Stadtbesichtigung sowie die Gelegenheit für interessante Begegnungen mit den Bewohnern der Stadt machen das Festival zu einem Ereignis, das wir Ihnen nur ans Herz legen können! Wir haben uns mit Amziane Abid, dem Leiter des Festivals, unterhalten.

 

Pays de la Loire / Mayenne

Musée Robert Tatin: verwirrende Riesen und Wunderwerke

Als der aus Laval (Mayenne) stammende Künstler Robert Tatin nach seinen Reisen quer über den Globus 1962 in seine Heimat zurückkehrte, ließ er sich mit seiner Frau Lise in einem kleinen Haus in der Gemeinde Cossé-le-Vivien nieder. Er beschloss, dort ein monumentales Werk zu kreieren, das eine Verbindung mit der Natur darstellen und gleichzeitig als Museum für seine künstlerischen Schöpfungen dienen sollte. 21 Jahre lang, bis zu seinem Tod im Jahr 1983, arbeitete er verbissen an diesem Projekt. Das 2020 als Musée départemental klassifizierte Museum liegt mitten auf dem Land. Es ist eine absolut unvergleichliche Kreation, die sich nicht einstufen lässt, die irgendwo zwischen Kunst und Architektur angesiedelt ist und alle künstlerischen Normen der damaligen Zeit sprengte. Noch heute regt sie die Fantasie der Besucher an.

 

Elsass / Bas-Rhin

Baumwipfelpfad: ein ganz neue Art, das Elsass zu entdecken

Wanderer und Spaziergänger, die gerne durch die Wälder der Vogesen streifen, haben seit einigen Monaten im nördlichen Elsass die Möglichkeit, die Natur aus einer ganz anderen Perspektive zu betrachten: Oberhalb des kleinen Dorfes Drachenbronn, nördlich von Hagenau und nicht weit von der deutschen Grenze entfernt, beschlossen einige Volksvertreter 2019, die Ärmel hochzukrempeln und ein ehemaliges Militärgelände, das zu verwildern drohte, mit einer innovativen Idee neu zu beleben.

 

FRANKREICH HEUTE

Kulturerbe

Der Wandteppich von Bayeux soll wieder in altem Glanz erstrahlen

Der Wandteppich von Bayeux ist einer der Schätze des französischen Kulturerbes und seit 2007 im Verzeichnis des Weltdokumentenerbes der UNESCO registriert. Die beinahe 1000 Jahre alte geheimnisvolle Stickerei zeigt auf einer Länge von knapp 70 Metern die Eroberung Englands durch Wilhelm den Eroberer (1027-1087), Herzog der Normandie. Das wertvolle Stück ist im Her- zen der Stadt Bayeux (Calvados) ausgestellt, befindet sich jedoch in einem abgedunkelten Raum hinter einer drei Zentimeter dicken Panzerglasscheibe. 2020 holte man den fragilen Leinenstoff aus seiner Vitrine, um ihn von Spezialisten untersuchen zu lassen. Der Zustand des Wandteppichs erwies sich als sehr beunruhigend, denn er bedarf dringender Reparaturen. Über die reine Restaurierung hinaus müssen die Bedingungen für Aufbewahrung und Präsentation modifiziert werden. Ab 2024 sollen nun um- fangreiche Arbeiten durchgeführt werden, die bis zur Eröffnung eines neuen Museums in Bayeux im Jahr 2026 dauern werden.

Debatte

Bordeaux: das Erwachen einer gar nicht so schlummernden Vergangenheit

Viele Medien loben zurecht die Metamorphose von Bordeaux, einer Stadt, die noch vor nicht allzu langer Zeit als unattraktiv galt, heute jedoch wieder einen Spitzenplatz unter den französischen Städten mit einer hohen Lebensqualität einnimmt. Die Verwandlung erscheint wie das berühmte « Erwachen aus dem Dornröschenschlaf ». Kann eine Stadt in ihrer ganzen Dimension aber wirklich so einfach aus einem langen Dämmerzustand aufwachen? Aktuelle Informationen im Zusammenhang mit der Vergangenheit von Bordeaux und seiner Rolle im Sklavenhandel des 18. Jahrhunderts zeigen, dass die Dinge manchmal wesentlich komplexer sind, als sie scheinen. Sie zeigen aber auch, dass es selbst in offensichtlich festgefahrenen Situationen, bei denen zwei Seiten lebhaft und leidenschaftlich unterschiedliche Positionen vertreten, am Ende möglich ist, eine gemeinsame Basis zu finden. Liegt vielleicht gerade hierin das kleine Wunder dieses « Erwachens »?

Geschichte
Sanary-sur-Mer: die "Hauptstadt der deutschen Literatur im Exil"
Sanary-sur-Mer, ein ruhiger Badeort mit einem kleinen Fischerhafen, liegt an der Côte d’Azur, in der Nähe des Cap Sicié, zwischen Marseille und Toulon im Departement Var. In den 1930er-Jahren war dies ein Zufluchtsort für zahlreiche deutsche und österreichische Künstler und Intellektuelle, die vor dem Hass der Nazis geflohen waren. Darunter befanden sich so bekannte Namen wie Thomas Mann, Bertolt Brecht und Lion Feuchtwanger. Insgesamt wird ihre Zahl auf mehr als 500 geschätzt. Dies ging so weit, dass der Journalist Ludwig Marcuse Sanary in seinen Memoiren – nicht ohne Humor und durchaus nicht aus der Luft gegriffen – als « Hauptstadt der deutschen Literatur im Exil » bezeichnete. Rückblick auf eine wenig bekannte, aber wissenswerte Seite der deutsch-französischen Beziehungen.

ART DE VIVRE

Was ist aus Ihnen geworden ?

Zürück an die Côte d'Or
Der Kontext:unter all den Menschen, die wir anlässlich unserer Reportagen in den letzten Jahren trafen, gab es immer wieder solche, deren Persönlichkeit, Initiative oder Engagement uns besonders berührte. Ihnen diese Menschen vorzustellen, hat uns besondere Freude bereitet. Während der derzeitigen Pandemie haben wir oft an sie gedacht und daher beschlossen, einige davon erneut zu besuchen, um zu hören, wie es ihnen geht. In dieser Reihe erfahren Sie, wie sie die schwierige Situation erlebt haben und mit ihr umgegangen sind. Dies soll gleichzeitig ein kleiner Beitrag sein, um diese Menschen bei der Wiederaufnahme ihrer Aktivitäten zu unterstützen.

Heute: Frédéric Vandendriessche, Direktor des Hotels Château de Courban an der Côte d’Or, über das wir in Frankreich erleben Nr. 72 (Herbst 2019) berichteten.

Chantals Rezept

Tarte Tatin aux endives
Obwohl Robert Tatin, über den wir auf den Seiten 58-65 berichten, mit der berühmten süßen Tarte der Schwestern Tatin nichts zu tun hat, brachte mich der Artikel auf den Gedanken, Ihnen ein weiteres originelles Rezept einer salzigen Tarte Tatin vorzustellen. Nach der Tarte Tatin à la tomate (Frankreich erleben Nr. 5) und der Tarte Tatin aux pommes et au camembert (Nr. 74) folgt diesmal eine Tarte Tatin, bei der die Bitternis von Chicorée hervorragend mit der Süße des karamellisierten Rohrzuckers harmoniert. Lau- warm mit einem Salat serviert, ist sie ein Genuss! Bon appétit !

Serie

Typisch Französische Produkte (30)

Meteor: die größte der kleinen Brauereien Frankreichs
Die Familienbrauerei Meteor ist im Osten Frankreichs eine richtiggehende Institution, der es an Besonderheiten nicht mangelt: Sie ist nicht nur die letzte große unabhängige Brauerei im Elsass, sondern darüber hinaus auch die älteste, da sie seit 381 Jahren besteht! Darüber hinaus nimmt sie für sich in Anspruch, « die größte der kleinen und die kleinste der großen » französischen Brauereien zu sein. Bereits dies verleiht ihren Bieren einen besonderen Reiz!

RUBRIKEN

Am Tag als...

... 5 November 1898: Radiowellen rettenten den Eiffelturm

Es gibt Tage, die anders sind. Sie erscheinen zunächst ganz « banal », doch dann ereignet sich etwas, das die Menschen so bewegt, dass sie sich noch lange daran erinnern. Über solche Tage, die im Gedächtnis der Franzosen haften geblieben sind, berichten wir in dieser Rubrik.

 

Guéwen a testé

... das "Champagnermenü"

Seit einigen Jahren stelle ich fest, dass immer mehr französische Restaurants auf ihrer Karte ein « Champagnermenü » anbieten, ein Menü also, das vom Aperitif bis zum Dessert aus- schließlich vom Getränk mit den vornehmen Bläschen begleitet wird. Mittlerweile kommt es sogar immer häufiger vor, dass man sich mit Freunden zum gemeinsamen Essen verabredet und jeder eine Flasche Champagner beisteuert. Die diversen Sorten werden dann nicht nur zum Aperitif oder zum Dessert getrunken, sondern auch zu den Gängen dazwischen. Ist das nun einfach eine Modeerscheinung oder ein wahres Genusserlebnis? Was ist von dieser Veränderung der Konsumgewohnheiten beim Champagner zu halten? Diesen Fragen bin ich nachgegangen.

 

UND VIEL MEHR...